Schlagwort-Archiv: Geschichte

Barclay de Tolly: Sonderausstellung in Dresden

28.07.2025

„Napoleon  marschierte mit seiner Grande Armee am 24. Juni 1812 in das russische Zarenreich ein. Im September brannte die Hauptstadt Moskau. Anderthalb Jahre später, im März 1814, standen russische Truppen mit ihren Verbündeten in Paris. Napleon war geschlagen und dankte ab. Mehrere blutige Feldzüge lagen dazwischen. Für die letztlich erfolgreiche Kriegsführung der russischen Truppen trug der Livländer Michael Barclay de Tolly die Federführung. Sein Anteil am Untergang Napoleons war maßgeblich, der Name jedoch geriet nach seinem Tod in Vergessenheit. Mit seinem zurückhaltenden Habitus und seiner baltendeutschen Herkunft eignete er sich nicht zum strahlenden Nationalhelden…

Das Militärhistorische Museum in Dresden konnte einen Teil von Barclay de Tollys Nachlaß in Gestalt von 200 Dokumenten und Urkunden erwerben und präsentiert eine Auswahl in der Ausstellung. Diese Schriftstücke bieten einen tiefen Einblick in die Funktionsweise militärischer Stäbe zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Verpflegungslisten, Karten und Marschpläne zeugen von der täglichen Planungsarbeit, verschlüsselte Geheimdokumente erzählen von Spionagefällen und der Briefwechsel mit Napoleons Stabschef Berthier berichtet von überrachenden Kommunikationswegen“ (1)

Reiter der russischen Chevaliers Garde vor Borodino: Bild des ukrainischen Malers Anatoly Telenik (oben) und eine Depesche de Tollys an den französischen Stabschef Berthier (unten rechts)

♦ Quellen:
(1): aus dem Exposee der Sonderausstellung „Barclay de Tolly mit Feder und Schwert- Napoleon muß untergehen“
(2): Fotos aus der Sonderausstellung im Militärhistorischen Museum Dresden, Juli, 2025

(v.k.)

Theodor Körner und Großzschocher, Juni 1813

07.07.2025

Theodor Körner und Großzschocher,  Juni 1813

Im Juni des Jahres 1813 sind es noch mehr als vier Monate bis zur großen Völkerschlacht vor den Toren Leipzigs zwischen den alliierten Truppen Preußens, Rußlands, Österreichs und der napoleonischen Armee.

In den Frühjahrs- und Sommerfeldzügen des Jahres 1813 und nach den für beide Seiten verlustreichen Schlachten von Großgörschen (2.Mai) und Bautzen (20./21.Mai) ist in beiden Lagern Zeitgewinn, insbesondere zur weiteren Mobilmachung und Kräftigung der Heere, angesagt. Dies betrifft auch das Freikorps der Lützower, welches sich- unter preußischem Oberkommando stehend- in Sachsen aufhält. Inmitten dieser Freischar aus deutschen Patrioten mit ihren einheitlich schwarzgefärbten Uniformröcken befindet sich auch der ehemalige Student und junge Theaterdichter Theodor Körner (zwischen 1808-1812 Studienansätze an der Bergakademie Freiberg sowie an den Universitäten Leipzig & Berlin; ab 1812 dann Anstellung als Theaterdichter im Burgtheater Wien, wo er erste Gedichte, Dramen und Theaterstücke verfaßt). Unmittelbar nach dem Aufruf des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. gibt Körner seine Stellung auf und schließt sich im März 1813 in Breslau dem Freiwilligenkorps des preußischen Majors Adolph von Lützow an. 

Die Waffenstillstandsvereinbarung von Pläswitz, Königreich Preußen, 4. Juni 1813

Am 4. Juni 1813 wird im schlesischen Pläswitz ein auf zwei Monate befristeter Waffenstillstand zwischen Preußen, Rußland und Napoleon vereinbart, der am 5. Juni in Kraft tritt. Laut dessen Bestimmung haben sich alle preußischen Truppen bis zum 12. Juni hinter die vereinbarte Demarkationslinie nördlich der Elbe zurückzuziehen. Als Unterhändler fungieren der preußische General von Kleist, der russische Graf Schuwalow und der französische Diplomat Coulaincourt.

Die Mitteilung über den Beginn dieses Waffenstillstandes erreicht das ca. 400 Mann starke Lützowsche Freiwilligenkorps allerdings erst am 9. Juni bei Eichigt im sächsischen Vogtland. Sehr spät und hinter den feindlichen Linien, d.h. mitten im französisch besetzten Gebiet. Am Tag zuvor ist der Versuch des Freikorps gescheitert, die Stadt Hof zu besetzen. Dieser mißglückte Handstreich, bei dem es Tote und Verwundete gibt, hätte während des Waffenstillstands nicht stattfinden dürfen. Sind die bei Lützow verspätet eingetroffenen Ordres der schwierigen Nachrichtenübermittlung in diesen Tagen geschuldet? Oder sind es Nachlässigkeit oder gar Absicht durch das preußische Hauptquartier? Diese Frage ist bis heute nicht beantwortet.

Lützow bleiben für einen Ausweich noch drei Tage, doch er zögert und führt seine Truppen nicht in das neutrale Böhmen, sondern im Eilmarsch über Gera, Zeitz und Großgörschen weiter nach Norden durch das mit Napoleon verbündete Sachsen. Wagemut oder Nachlässigkeit? Nach Abmarsch aus seinem Biwak bei Kitzen, südwestlich von Leipzig, wird das Korps auf der Strasse zwischen Kitzen und Kleinschkorlopp am 17.06.1813 von einer zehnfachen Übermacht an württembergischer und französischer Kavallerie unter deren Generälen Norman und Fournier gestellt. Lützows Bitte um freies Geleit, da in friedlicher Absicht, wird nicht entsprochen, sein Korps wird unmittelbar darauf angegriffen. Der Durchbruch aus der feindlichen Umzingelung gelingt nur unter großen Verlusten, 30 seiner Männer fallen, 150 geraten in Gefangenschaft. Der Rest, darunter auch von Lützow und Körner, kann entkommen.

Auch dies ist ein Bruch des vereinbarten Waffenstillstandes. In einer Depesche an Napoleons Generalstabschef A. Berthier beschwert sich Feldmarschall Barclay de Tolly, Oberbefehlshaber der preußisch-russischen Truppen, über dieses „absolut unerklärliche Vorgehen bei Kitzen gegen das Korps von Major von Lützow“ und schlägt den Franzosen im Juli eine dringende Untersuchung der Angelegenheit vor. Dabei schließt er allerdings auch ein Fehlverhalten des Lützowschen Freikorps nicht aus…

Der Weg der Lützower in Sachsen bis zum Gefecht bei Kitzen und des schwerverwundeten Körner nach Großzschocher, Karte: ©OpenStreetMap-Mitwirkende

Körner selbst wird bei dieser Aktion durch einen Säbelhieb schwer verwundet. Er kann von Kameraden noch verbunden werden und sich zu Pferd mit Mühe in ein kleines Waldstück in der Elsteraue nahe der Gemeinde Großzschocher retten…

Sicht auf das bewaldete Gelände bei Großzschocher zwischen Elsteraue und Knauthainer Elstermühlgraben…

…in dem sich nach dem Scharmützel der schwerverwundete Körner verstecken kann

Das ehemalige Großzschochersche Gärtnerhaus in der Huttenstraße 2a, in dem Körner kurzzeitig versteckt, gepflegt und später außer Landes gebracht wird

Körner wird schon am nächsten Tag nach Hinweisen von Kameraden gefunden und in eine Kammer der Gärtnerwohnung in Großzschocher gebracht, wo er notärztlich versorgt wird. Bereits am nächsten Tag, also am 19. Juni, bringt ihn ein kleiner Kahn über das Dorf Schleußig bis zu „Rudolfs Garten“ (einem damals beliebten Ziel der Leipziger Gondelpartien) und zum Haus von Dr. Wendler. Neben der Androhung der Todesstrafe durch Napoleon gegen Jedermann, der einen Lützower („Bandit noirs“) aufnimmt, hilft oder begünstigt, ist zudem auf Körner ein hohes Kopfgeld ausgesetzt. So bringt ihn der Arzt am 25. Juni nach Kalmdorf, ein Gut in der Nähe von Borna. Am 29. Juni gelangt Körner schließlich bei Gottesgab über die Böhmische Grenze nach Karlsbad, wo er seine Kopfverletzung auskurieren kann. Doch schon zwei Monate später ist er bereits wieder bei „seinen“ Lützowern in Mecklenburg, wo er am 26. August beim Angriff auf einen französischen Troß im Forst von Rosenow bei Gadebusch fällt…

Gemälde von Ferdinand Hodler: „Der Auszug deutscher Studenten in den Freiheitskrieg von 1813“. Neben Studenten treten im Frühjahr 1813 junge Männer aus allen Ständen, sowie ehemalige Offiziere und Beamte in die Freiwilligenbataillone gegen die französische Fremdherrschaft ein. Zu diesen gehörten neben Theodor Körner z.B. auch F.L.Jahn, F.Friesen, J.von Eichendorff oder F. de la Motte-Fouque  

♦ images:
pixabay und  Public Domain: „Der Auszug deutscher Studenten in den Freiheitskrieg von 1813“
©OpenStreetMap-Mitwirkende
♦ Quellen:
(1): https://www.epoche-napoleon.net/bio/k/koerner01.html
(2): https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCtzowsches_Freikorps
(3): https://www.leipzig-days.de/koernerhaus-grosszschocher/
(4): https://de.wikipedia.org/wiki/Waffenstillstand_von_Pl%C3%A4switz
(5): Joachim Streisand: Lehrbuch der Deutschen Geschichte- Deutschland 1789-1815; VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1959
(6): Dokumente der Sonderausstellung „Napoleon muß untergehen“ zu Barclay de Tolly im Militärhistorischen Museum Dresden, Juli, 2025
(7): Private Aufzeichnungen zu: „Schills Rebellenzug von 1809 und weitere patriotische Erhebungen“ aus dem Kulturhistorischen Museum Stralsund/11.01.1976  

(v.k.)

Joseph Haydn-„Die Schöpfung“

24.08.2024

„Es steht außer Frage: In der ‚Schöpfung‘ steckt alles. Die ganze Welt. Sie ist ein Blick zurück und weit in die Zukunft dessen, was Musik alles sein kann. Sie ist Gleichgewicht und Revolution zur selben Zeit, ein Stück Aufklärung eben. Prachtvolle Chöre, anmutige Melodien, feinste Polyphonie, all das fest verankert in einem optimistischen Menschenbild: Wer sich nach diesem Stück nicht automatisch besser fühlt, braucht wirklich Hilfe. Die ‚Schöpfung‘ ist auf so ehrliche Weise gesund. Zur Gesundheit gehört aber auch eine gute Prise Humor, und der kommt bei Haydn selbst in einem so weihevollen Umfeld wie der Schöpfungsgeschichte nicht zu kurz.

Zugleich wirft das lichtdurchflutete Werk einige Schatten auf unsere eigene Gegenwart. Was ist geblieben vom Geist der Aufklärung? Und was haben wir gemacht mit der Welt, so groß, so wunderbar?“ (Textpassage aus (1))

Haydns Oratorium über die Erschaffung der Welt ist sein wichtigstes musikalisches Vermächtnis. Die heutige Aufführung im Freiberger Dom wurde mit den Solisten Isabel Schickedanz (Sopran), Thomas Kiechle (Tenor) und Daniel Ochoa (Bass) sowie mit dem Philharmonischen Kammerorchester Dresden und dem Freiberger Domchor unter der Leitung seines Kantors Albrecht Koch gestaltet.

Anmerkung: Die parallel gestaltete Multimediale Projektion trägt nach meiner Ansicht nicht zum Verständnis dieses großartigen Oratoriums bei. Leider lenkt sie vom musikalischen Geschehen ab und ist daher weder erforderlich noch sinnstiftend.


Image: Pixabay
Quellen:

(1): BR-Klassik Concert, 24.09.2023

(v.k.)

Die Johannes-Passion im Freiberger Dom

24.03.2024

Mit dem Palmsonntag vor Ostern, dem bibelgeschichtlichen Einzug von Jesus Christus in Jerusalem, beginnt für die Christen der ganzen Welt die Karwoche. Der Beginn dieser Feiertage in diesem Jahr hat mit einem eindrucksvollen Konzert im Freiberger Dom seinen Anfang genommen: Der Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach. In der musikalischen Interpretation dargestellt sind Jesus` Gefangennahme und Tod. *).

Vor dem verhüllten Altar des Doms ein unvergeßlicher Musikabend mit den fünf Solisten, dem Dresdener Barockorchester und dem Freiberger Domchor unter der Leitung seines Kantors Albrecht Koch.

Die ca. 2 Stunden dauerende Johannes-Passion wurde vor genau 300 Jahren erstmalig in der Nikolaikirche Leipzig uraufgeführt. Seitdem gehört sie zu den eindrucksvollsten Musikstücken der Karwoche.


*) Warum Passion nach Johannes?

Der durch den Evangelisten Johannes überlieferte Bericht ist eines der vier christlichen Erzählungen (Evangelien) zum Leben, Wirken und Sterben Jesu Christi. Er steht, wie auch die vergleichbaren Texte des Markus, Matthäus und Lukas, im Neuen Testament, also dem zweiten Teil der Bibel. Nach mehrheitlichem Kenntnisstand entstanden diese Evangelien zu unterschiedlichen Zeiten: 70 n.Chr. (Markus), 90 n.Chr. (Matthäus und Lukas) bzw. 100 n.Chr. (Johannes). Allerdings sind -auch ansatzweise- deren wirkliche Verfasser und ihre Vita nicht verifizierbar („Verfasser unbekannt“). Sie sind damit mit hoher Wahrscheinlichkeit anonym übermittelte Berichte. Nicht nachweisbar ist ebenfalls, daß einer dieser Evangelisten Jesus persönlich kannte. Vermutlich zufällig ist auch deren Namensgleichheit mit den Aposteln Matthäus und Johannes, zweier Jünger des Messias. Allerdings steht fest, daß in allen Texten auf mündliche Erzählungen zurückgriffen wurde, die man sich in den frühchristlichen Gemeinden von Palästina, Syrien, Griechenland und Kleinasien  über den „Nazarener“ erzählt hat.

Das Johannes- Evangelium entstand also etwa um 100 n.Chr, also ca. 70 Jahre nach Gefangenschaft und Kreuzigung Jesu und ist damit die jüngste Version der Lebensgeschichte des Messias. Wer dieser Johannes wirklich war, ist nicht verifizierbar und verliert sich im Dunklen. Genau so wie seine rätselhafte, verklausulierte Sprache bleibt sie ein Bericht über einen Heiligen. Voller Mythos und Geheimnisse…

Image: Pixabay
Quellen:
Was Lukas überlieferte“, Tagespiegel – 23.12.2011
https://de.quora.com/Wurden-die-Evangelien-von-den-J%C3%BBngern-Jesu-geschrieben
https://www.spiegel.de/politik/doppelt-oder-nichts-a-8297e188-0002-0001-0000-000008931363

(v.k.)

Link

Buch-Lesetip:

Noam Zadoff: „Geschichte Israels“, C.H. Beck-Verlag, München, 2020

Ergänzend zum o.g. Buchtip habe ich diese beiden Youtube-Videos eingebunden. Sie liefern- so denke ich jedenfalls- eine objektive und fundierte Kurzdarstellung über Israels Geschichte und den seit der Staatsgründung schwelenden Konflikt zwischen Juden und Palästinensern.

Eine Lösung ist auch nach mehr als 70 Jahren nicht in Sicht und wird damit wahrscheinlich ein Fall für das Jüngste Gericht…

(v.k.)