Mai, 2024
“Das Bundespräsidialamt ist zu der Einschätzung gekommen, daß der für den 2. Mai geplante Runde Tisch zum Krieg in Nahost in der aktuellen angespannten Lage dem Ziel, den gesellschaftlichen Frieden zu stärken, nicht dient.”
In welchem Kontext steht diese trockene und lapidare Ferststellung?
Seit dem mörderischen Angriff der Hamas auf Israel und der prompten, jedoch völkerrechtswidrigen Gegenreaktion des jüdischen Staates gegen die palästinensische Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen, ist mehr als ein halbes Jahr vergangen.
Mittlerweile ist die Israelische Regierung vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, dem wichtigste Rechtssprechungsorgan der Vereinten Nationen, wegen Völkermords angeklagt (1).
Daß sich der IGH mit Macht gegen Israels Verweigerungshaltung in Richtung globaler humanitärer Hilfe für die Bevölkerung Gazas stellt, ist eine deutliche Abfuhr und eine Niederlage für Israel und seine westlichen Unterstützer. Genauso wie die abgewiesenen Versuche der israelischen Vertreter, die Kritik am militärischen Vorgehen in Gaza als Doppelmoral oder bloßen Antisemitismus abzutun.
Zu den Unterstützern des jüdischen Staates, welcher sich aktuell auf der Anklagebank befindet, gehört auch Deutschland. Die Sicherheit Israels gehört seit langem zur deutschen Staatsräson. Zu dem folgerichtigen Schritt, auch Palästina als unabhängiges Land anzuerkennen, wie es bereits 193 Mitgliedsstaaten der UN getan haben, konnte sich Deutschland bisher allerdings nicht durchringen.
Der andauernde Spagat zwischen Staatsräson einerseits und dem politischen Druck, mit diesem Schritt auch dem Palästinenserstaat Recht und Gesetz zu garantieren, tun der deutschen Regierung incl. der USA nicht gut. Und: Man läßt sich von Bibi bereits zu lange auf der Nase herumtanzen. Bekanntermaßen muß sich Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wegen Korruption und Bestechlichkeit vor Gericht verantworten. Weiterhin muß er einen Haftbefehl durch den internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen befürchten (2,3). In einem erstaunlichen Interview spricht der US-Präsident Biden mögliche Motive Netanjahus an, den gegenwärtigen Krieg im Gaza-Streifen in die Länge zu ziehen: Zum einen den gegen ihn anhängigen Korruptionsprozeß (s.o.), zum anderen die Proteste gegen dessen unstrittene Justizreform. Intern soll Biden seinen “persönlichen Freund” mehrfach als “Arschloch” bezeichnet haben (8).
Ich meine, damit ist die Gesprächsabsage unter der Schirmherrschaft unseres Staatspräsidenten folgerichtig. Mit o.g. Dauerspagat und einer zu erwartenden halbherzigen Argumentation ist eine geplante Diskussionsrunde zum Krieg in Nahost mehr als fragwürdig. Für mediale Selbstinszenierungen dieser Art ist überdies kein Platz mehr. Insbesondere dann nicht, wenn Menschen täglich in Gaza sterben, verwundet, traumatisiert und vertrieben werden, Hunger leiden und medizinisch nicht versorgt werden.
Ein weiterer Grund und wahrscheinlich der wichtigste für die jüngste Absage: Massive Kritik an der vorgesehenen Besetzung, zu der Maron Mendel, Tilo Jung und Melody Sucharewicz eingeladen waren. Leider nicht eingeladen war eine palästinensische Stimme (!), welche die leidende Zivilbevölkerung des Gaza-Streifens vertritt.
Keine palästinensiche Vetretung, dafür jedoch die “inoffizielle Botschafterin Israels”, Frau Melody Sucharewicz, der Peter Scholl-Latour in einer NDR Talkshow 2009 (s. unten) Selbstverliebtheit und dilettantisches Geschwätz vorhielt. Eine Einschätzung, die ich seit langem teile (4).
Wer ist dieser Dame? Die Autorin Evelin Hecht-Galinsky, Inhaberin des Kölner Karls-Preises für engagierte Literatur und Publizistik, charakterisiert in (5) die Israel-Propagandistin Sucharewicz u.a. als “glühende Unterstützerin des zionistischen Besatzerregimes“, als “manipulativ” und als “Israelische Kampfdrohne“, die in ihren Auftritten eine “…bösartige und haßerfüllte Hasbara verbreitet” (6). Ihr Vater: Gründer und langjähriger Vorsitzender der propagandistischen Plattform “I like Israel” (ILI).
Die krude Gedankenwelt der offensichtlich naiven, aber perfekt geschulten “Politikberaterin” Sucharewicz ist schwere Kost. Die Gleichsetzung Israel-kritischer Positionen und palästinensischer Stimmen mit dem Antisemitismus sind eine ihrer Grundpositionen. Belege gefällig? So finden sich in (7) ihre fragwürdigen Statements zur international geächteten Siedlungspolitik Israels: “Wer sich über Siedlungen aufregt, kennt die jüngste Geschichte nicht” oder “Die umstrittenen Siedlungen schaffen eine wichtige strategische Tiefe (!)”. Auch ihre Urteile zur Berichterstattung in den deutschen Medien: “Beiträge… von verläßlich verzerrender Tendenz” bzw. “…die westlichen Medien haben sich von jahrzehntelanger (arabischer) Propaganda instrumentalisieren lassen und spielen dem Terror in die Hände” oder “Fakten sind egal” disqualifizieren diese Dame von einer Bühne, die eigentlich seriösen und und kritischen Publizisten gehören sollte.
Genug Gründe also, um die von Herrn Steinmeier im Schloß Bellevue geplante Veranstaltung zu kanzeln.
Quellen und Nachweise:
(1): https://www.ipg-journal.de/regionen/naher-osten/artikel/deutliche-abfuhr-7279/
(2): https://www.tagesschau.de/ausland/asien/israel-netanyahu-prozess-106.html
(4): https://www.volkerkliem.de/israel-und-die-arroganz-der-macht/
(5): http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25894&css=print
(6): https://bip-jetzt.de/2021/06/12/bip-aktuell-174-hasbara-israels-weltweites-propagandainstrument/
(7): https://www.juedische-allgemeine.de/politik/verlaesslich-verzerrende-tendenz/
(v.k.)